Ob die Weigerung eines Ehepartners, weitere Kinder zu bekommen, eine Eheverfehlung und somit einen Scheidungsgrund darstellt, ist nach den jeweiligen Umständen zu beurteilen und somit kann nicht verallgemeinert werden.Der Oberste Gerichtshof lehnte jedoch in dem zu beurteilendem Fall das Vorliegen eines Scheidungsgrundes ab, da gesundheitliche Risiken für das Kind bestehen würden.

 

Ein Ehepaar hatte ein gemeinsames Kind, welches an einer angeborenen, schweren Krankheit litt. Die klagende Mutter hatte sich geweigert, ein zweites Kind mit ihrem beklagten Ehemann zu bekommen. Sie wollte es nicht riskieren, ein weiteres, schwer krankes Kind auf die Welt zu bringen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein weiteres Kind an derselben Erkrankung leiden würde, lag bei 50 Prozent.

Zwischen dem Ehepaar entwickelten sich daraufhin Streitigkeiten. Nachdem die Klägerin vom Beklagten beschimpft sowie von ihm und dessen Verwandten unter Druck gesetzt wurde, verließ sie unter Beteiligung der Polizei die Ehewohnung mit dem gemeinsamen Kind und suchte ein Frauenhaus auf.

Die Vorinstanzen führten zu diesem Fall aus, dass die Weigerung der Ehefrau, unter den gegebenen Umständen ein zweites Kind bekommen zu wollen, nicht als Eheverfehlung anzusehen sei. Auch sei das Aufsuchen eines Frauenhauses ausreichend gerechtfertigt gewesen.

Dieser Ansicht folgte auch der Oberste Gerichtshof. Die Weigerung, weitere Kinder zu bekommen, könne eine Eheverfehlung und damit einen Scheidungsgrund nach § 49 Ehegesetz (EheG) bilden. Triftige Gründe, wie etwa gesundheitliche Risiken für das Kind, können den Scheidungsgrund jedoch ausschließen. Auch sei das Verlassen der Ehewohnung trotz einer grundsätzlichen Pflicht zum gemeinsamen Wohnen dann gerechtfertigt, wenn es eine entschuldbare Reaktionshandlung auf schwerwiegende Eheverfehlungen des Partners darstelle.

 

OGH 5.8.2015, 9 Ob 29/15b